Dienstag, 15. Juli 2025

Der Untergang von Pompeji

 




Ich gebe es ja zu! Die letzten Tage war ich ein  wenig schreibfaul.
Es drängte sich auch kein Thema auf. 
Jetzt habe ich in meinen Bilderarchiv aber ein paar Fotos von 2022 gefunden. 
Meine Frau war zur Kur in Bad Rothenfelde und ich habe sie am Wochenende dort besucht.
Die Gelegenheit haben wir dann genutzt und das Museum in Kalkriese besucht.
Wir erinnern uns:

Im Jahre 9 n. Chr. zog ein Herr Varus mit einer Reisegruppe von ca. 18.000 Römern hier durch um den germanischen Stämmen zu zeigen, wer der Chef ist.
Wie das ausging wissen wir alle.
In Kalkriese gibt es heute ein Museum zur Varusschlacht und dort gab es  eine Sonderausstellung zum Untergang von Pompeji.
Also nur Katastrophen dort zu sehen.

Damit währen wir dann beim Thema. 70 Jahre nach der Varusschlacht, also im Jahr 79 n. Chr. brach der Vesuv aus. Die Lavamassen verschütteten das antike Pompeji, sowie die Nachbarstädte Herculaneum und Stabiae. 
Schätzungsweise kamen dabei etwa 2000 Menschen ums Leben, während 18.000 noch fliehen konnten. 
Pompeji geriet im Laufe der Zeit weitgehend in Vergessenheit und wurde nur hin und wieder von Grabräubern besucht. 
Wissenschaftliche Ausgrabungen begannen offiziell am 6.April 1748, nachdem bereits seit 1709 Grabungen in Herculaneum durchgeführt wurden. 

Die Bilder oben zeigen drei Fundstücke aus Pompeji. 

Insgesamt gefiel mir die Sonderausstellung damals besser als das Museum. Ich schau mir halt gerne Artefakte an und bin nicht so der Freund von Animationen und moderner Museumspädagogik. 
Also liebe Museen: Zeigt wieder mehr Fundstücke und nicht dunkle Kästen, wo man reingreifen und Wolle ertasten kann (Hab ganz vergessen, wo das war!)!

So jetzt habe ich auch genug geschrieben um euch drei Bilder zu zeigen. Bis zum nächsten Mal! 

Dienstag, 8. Juli 2025

Die Speichenhexe

 Wo wir schon mal bei Hexen waren , kann ich auch gleich noch eine Geschichte nachlegen. 

Neulich war ich mit einem Kollegen in Breckerfeld wandern. Dabei gingen wir auf dem Rückweg auch über den Wengeberg und machten dabei ordentlich Höhenmeter. Der Wengeberg ist nämlich mit 442 Metern die höchste Erhebung im Ennepe-Ruhr-Kreis. 

Über den Wengeberg führt die gut ausgebaute Landstraße L528. Aber auch in früheren Zeiten gab es hier bereits eine Straße. 

Und eine Hexe! Nämlich die Speichenhexe, die hier an der Straße ihr Unwesen getrieben haben soll.

Ein Breckerfelder Bauer soll einst mit seinem Fuhrwerk, im dichten Nebel auf dem Weg nach Hause gewesen sein, als er aus dem Unterholz lautes Wimmern und Stöhnen hörte. Obwohl der Bauer wusste, das es am Wengeberg spukt, hielt er an und kletterte von seinem Kutschbock. Wenn ein Mensch in Not war, musste er helfen. 

Mühsam kämpfte er sich durch das dichte Gestrüpp, bis er plötzlich vor einer grausig aussehenden Hexe stand.

Wirre zottelige Haare, eine lange mit Warzen übersäte Nase, ein einzelner gelber Zahn ragte aus ihren vertrockneten Mund (Wie man sich eine Hexe der hässlichen Art halt vorstellt!).

"Hilf mir Bauer! Ich stecke in einer Astgabel fest! Hol deine Axt und befreie mich! Schlag mir das Bein ab, damit ich los komme!"

Unserem hilfsbereiten Bauern war das nun aber doch zu gruselig. Unter lauten Gezeter und Fluchen der Hexe machte er das er wegkam. Drei Tage hörte man die Hexe noch schreien und fluchen, dann war Stille.

Seit jenem Tag aber bleiben immer wieder Wagen ohne erkennbaren Grund auf der Straße stecken und lassen sich trotz aller Mühe nicht mehr fort bewegen. Als wäre der Wagen festgehext. 

So soll es dann auch einige Zeit später unseren bereits bekannten Bauern gegangen sein. Der hatte aber eine Idee:

Um seinen Wagen zu befreien zerschlug er mit der Axt eine Speiche des festsitzenden Wagenrades mit den Worten: "Du hast mich festgesetzt, darum zerschlag ich dir die Speiche jetzt!"

Und schon war der Wagen frei und der Bauer konnte weiter. 


Mit Ende der Pferdewagen ging dann wohl auch die Hexe in den Ruhestand. Am Wengeberg bleibt man in heutiger Zeit wohl nicht mehr so oft stecken. Und solltet ihr doch mal liegen bleiben, dann zerdeppert nicht eure Leichtmetallfelgen, sondern ruft einfach den Pannendienst. 

Samstag, 28. Juni 2025

Tam o`Shanter

 

Lust auf eine Hexengeschichte? 

Ja, ich habe eine. Sie basiert auf dem Gedicht "Tam o`Shanter" des schottischen Dichters Robert Burns (* 25. Januar 1759 in Alloway, Ayrshire; † 21. Juli 1796 in Dumfries, Dumfriesshire), das dieser im Jahr 1790 schrieb. 


Held dieser Geschichte ist der Bauer Tam, der den Markt in Ayr, einer Stadt in Südwesten Schottlands, besucht. 

Seine Frau wartet derweil zu Hause und zieht, zumindest in der Vorstellung Tams, die Stirn in Falten und pflegt ihren Groll. 

Tam ist nämlich in ihren Augen ein sehr lockerer Vogel, ein Nichtsnutz, Angeber und Kneipenhocker. 

So ganz unrecht scheint sie damit nicht zu haben. Tam säuft die ganze Saison durch an jedem Markttag. 

Die Ratschläge seiner Frau, die Gute heißt übrigens Kathy, beachtet er natürlich gar nicht.

Auch diesmal nicht. Schließlich hat er seinen Saufkumpel, den Schuster John, getroffen, sitzt in der Kneipe am warmen Kamin, trinkt außergewöhnlich gutes Bier und fummelt mit der Wirtin, während John dem Wirt wilde Geschichten erzählt. 

Währenddessen zieht draußen ein heftiger Gewittersturm auf. Es hilft alles nichts, Tam muss nach Hause!

Und das in einer Nacht, wo im wahrsten Sinne des Wortes, der Teufel los ist. 

So schwingt sich Tam schließlich trotz des Wetters auf sein treues altes Pferd Maggie und reitet heimwärts. Regen Sturm und Blitze ignorierend, zieht er sich die Mütze tiefer ins Gesicht und summt ein Liedchen. 

Hin und wieder schaut er sich aber wachsam um, als er sich der alten Kirche von Alloway, nähert. So manches Unglück hat sich hier schon ereignet und mancher kam dabei ums Leben. All das soll von der alten Kirche ausgehen, in der es spukt.

Als er an der Ruine vorbei kommt, ist diese tatsächlich hell erleuchtet und Tam hört den Lärm von lauten Singen und Tanzen. 

Alkohol macht mutig und Tam ist immer noch ausreichend betrunken, weshalb er zur Kirche reitet und neugierig einen Blick hinein wirft. 

Hexen und Warlocks (Hexenmeister) tanzen dort im Kreis. Der Teufel selber sitzt als schwarzer, zausiger Kater am Fenster. Dazu ertönt eine grausige Musik, Leichen liegen aufgebahrt herum und halten Lichter in den Händen. Das Skelett eines Mörders, an den Altar gekettet, ein frisch vom Strick geschnittener Dieb und allerlei benutzte und blutige Mordwerkzeuge sind zu sehen.

Tam kann es nicht fassen und schaut sprachlos zu. Da wird die Musik schriller und schneller, der Tanz wird wilder, die Tanzenden reißen sich die Kleider vom Leib, tanzen im Unterhemd weiter und Tam ist begeistert von den heißen Hexenweibern. Die alten und hässlichen, die in der Halle auf ihren Besen herumfliegen ignoriert er natürlich. 

Er hat nämlich, genau wie Satan übrigens,  nur noch Augen für die Junghexe Nannie. Die wurde gerade erst in den Hexenzirkel aufgenommen und gibt zur Feier des Tages alles. 

Nannie ist im ganzen Land berühmt und berüchtigt. Kühe und Pferde soll sie tot schießen, Boote versenken und Bier und Whisky säuft sie wie kaum ein Mann. 

Jetzt trägt beim Tanzen nur noch ein Hemdchen, dass sie als Kind schon hatte und das für sie mit der Zeit doch schon arg kurz geworden ist. 

Vergessen sind Eheweib, Wirtin und alles andere. Tam verliert den Verstand applaudiert und brüllt laut "Bravo!"

Schlagartig wird es dunkel. Auch Tam dämmert nun trotz Trunkenheit, dass er da wohl einen kleinen Fehler begangen hat, befürchtet, dass er Kathy nie wiedersehen wird, und tritt eiligst den Rückzug an. 

Aber kaum hat er sich aufs Pferd geschwungen naht auch schon voller Mordlust die Höllenmeute, allen voran die stinkwütende Nannie. 

Tam feuert sein Pferd an und Maggie gibt alles. Wenn er die Brücke über den Doon erreicht, hat er gewonnen. Dort verliert der Spuk seine Macht. 

Kurz vor der Brücke bekommt Nannie Maggies Schweif zu packen. Aber ein letzter Sprung und Maggie ist auf der Brücke. Allerdings ohne Schweif. Den hat Nannie noch in der Hand. 



Tam o'Shanter at the Brig o'Doon. G.Cook, 1881


Und die Moral von der Geschichte? Da zitiere ich mal aus einer der deutschen Übersetzungen: 


"Wer immer die Geschichte liest,

Hab acht, damit du’s nicht vergisst:

Wann immer dich die Drinks verwirrn,

und Nannies sausen durch dein Hirn,

Ist solche Lust des Preises wert ?

Vergiss nie Tam o‘ Shanters Pferd!"



Noch eine kleine Anmerkung zum Schluss: 

Nannie wurde zur Vorlage der Gallionsfigur des Teeklippers Cutty Sark. Der Name des Schiffes bedeutet so viel wie "Süßes..." oder "Kurzes Hemdchen". 
Am Bug ist die Figur der Nannie zu sehen, sehr spärlich mit einem kurzen Hemd bekleidet und mit einen Schweif in der Hand.

Damit verabschiede ich mich mal für heute, wünsche euch noch ein schönes Wochenende und hoffe ihr schaut mal wieder rein! 


Freitag, 20. Juni 2025

Der Hauptmann von Köpenick (11)

 Voigt landet erst einmal wieder hinter Gittern.


"Ich wurde kurze Zeit, etwa zehn Tage, nachdem das Urteil rechtskräftig geworden, zur Verbüßung meiner Strafe in die Gefangenschaft nach Tegel überführt.


Schon am Nachmittag desselben Tages besuchte mich der Direktor, und die ersten Worte, die er an mich richtete, sind mir heute noch gegenwärtig: »Nun sind Sie also nach langer Irrfahrt hier gelandet!«

»Jawohl, Herr Direktor«, antwortete ich, »aber an welchem Ufer!«

Es ist mir sehr erfreulich, hier sagen zu können, dass die Gefängnisanstalt Tegel, sowohl was die Beamtenschaft anlangt wie in Bezug auf Pflege und Fürsorge, geradezu mustergültig genannt zu werden verdient. Gerade ich konnte dies am besten beurteilen."
(1)


Voigt ist nun berühmt und hat viele Fans. 

Eine Frankfurter Zeitung hat für ihn gesammelt und er bekommt nach seiner Haftentlassung 2000.- Mark und eine Dame aus den "allerersten Kreisen" Berlins soll ihn eine Rente von monatlich 100.- Mark zugesichert haben. Behauptet Voigt. Es könnte sich hier um Gertrud Wertheim gehandelt haben, der Frau von Wolf Wertheim, eines Unternehmers und Bruder des Warenhausbesitzer Georg Wertheim. 

Das Gerücht über seinen "Reichtum" macht die Runde und Voigt bekommt Bettelbriefe. Aber auch sonst bekommt er viel Fanpost. 

Nach zwei Jahren Haft wird er begnadigt und auf Befehl des Kaisers sofort entlassen. Völlig überraschend, an einen Sonntag und ohne dass die Öffentlichkeit davon weiß., darf Voigt gehen. Und weil ja Sonntag ist, der Kassenbeamte und andere Beamte nicht im Dienst sind, leiht ihm der stellvertretende Sekretär eine Mark.


"Mit einem gewissen Wohlbehagen durchschritt ich die Straßen des Vorortes und freute mich an den wandernden, fröhlichen Menschen.

Ich wusste, mit welcher Teilnahme mein Ergehen in Tegel und meine Freilassung in der Welt verfolgt wurde.

War es mir doch zu Ohren gekommen, dass viele meiner Freunde sich verabredet hatten, am Tage meiner Freilassung vor den Toren des Hauses auf mich zu warten und mich abzuholen.

Hatten sich doch schon einmal früher, als das Gerücht verbreitet wurde, ich würde freigelassen, Hunderte von Menschen eingefunden, die mich sehen wollten.

Und heute?
Keiner von diesen Menschen dachte daran, dass ich unter ihnen wandelte, und so konnte ich unbelästigt das heitere Leben, das an schönen Sonntagen die Vororte von Berlin durchflutete, genießen.
Diese erste Stunde der Freiheit, die direkt der Gnade entflossen, unerwartet und doch so erwünscht kam, kann ich mit Worten nicht schildern! So etwas muss man erlebt haben!
" (1)


Voigt geht erst einmal zu seiner Schwester, die ist aber nicht zu Hause. Also besucht er zunächst seine ehemalige Verlobte und weitere Bekannte. 

Sein nächster Weg führt ihn dann auch schon zur Redaktion der Zeitung "Die Welt am Montag. 

Voigts weitere Karriere wird hier schon deutlich. Er wird "Influencer", nur halt mit den Mitteln von 1908.


"Aber schon war Frau Fama geschäftig gewesen. Alle Welt wusste von meiner Befreiung. Und bald hatten sich denn auch die Pioniere der modernen Zivilisation, die Amateurphotographen und Photographen vom Fach eingestellt; und während ich den Fuß auf den Tritt der Droschke stellte, waren bereits eine Anzahl von Objektiven auf mich gerichtet, um diesen denkwürdigen Moment zu verewigen.

Schon am frühen Morgen hatte die Post eine große Anzahl Briefe für mich gebracht, und ich wollte die Muße der Fahrt dazu benutzen, um sie auf dem Wege zur Stadt zu lesen.

Als ich aber einen Augenblick hinter mich schaute, sah ich, wie die Photographengesellschaft im Auto hinter mir herfuhr, an jedem Haltepunkt umstellten sie meine Droschke so, dass mein Kutscher nicht losfahren konnte, die Zwischenzeit benutzten sie, um mich in allen möglichen Stellungen aufzunehmen. Ich habe ziemlich drei Stunden gebraucht, bis es mir endlich gelang, ihren Glasaugen zu entkommen."



Friedrich Wilhelm Voigt, 1910.


Voigt veröffentlicht die von mir hier häufig zitierte Autobiografie. Er hält Vorträge, verkauft Postkarten mit seinem Bild und bringt es tatsächlich zu einigen Wohlstand. 
Damit kommt er aber nicht überall gut an. 
Paul Lindau zum Beispiel:

"Leider ist die Freude, die wir alle über die glückliche Wendung im Leben des köstlichen Hauptmanns empfunden haben, nicht ungetrübt geblieben. Wilhelm Voigt, so standhaft und aufrecht im Unglück, in der Ächtung – im Glück ist er getaumelt, die Höhenluft der Anerkennung hat er nicht vertragen können. Schon in den letzten Monaten seiner Gefangenschaft hat er eine Albernheit begangen, die einen fatalen Reklameduft ausströmte. Um die Sympathien für den wieder Verurteilten zu stärken und zu mehren, hatte eines unserer angesehensten Blätter die von Voigt in der Untersuchungshaft verfasste Selbstbiographie veröffentlicht, die der Angeklagte wohl zur Verlesung in der öffentlichen Sitzung bestimmt und der Verteidigung zur Verfügung gestellt hatte. Davon konnte indessen Abstand genommen werden. Die Haltung des Gerichtshofs stellte außer aller Frage, daß Voigt es diesmal mit weisen und gerechten Richtern zu tun hatte. Aber gerade, weil auch diese ihn verurteilen mussten, konnte eine nachträgliche Veröffentlichung des rührenden Elaborats, das die öffentliche Meinung nur noch mehr für den Verurteilten einzunehmen geeignet, von Nutzen sein.

Was tat nun Voigt? Anstatt sich für diesen Beweis freundlichster und wohlwollendster Gesinnung erkenntlich zu zeigen, machte er sich durch die kindische Drohung lächerlich, dass er, sobald er auf freiem Fuße wäre, die Redaktion wegen unbefugten Nachdrucks belangen werde!

Nach wiedererlangter Freiheit aber trieb ihn der in ihm aufgekeimte und nun üppig wuchernde Größenwahn zu einer Geschmacklosigkeit nach der andern. Er wollte sich – so in einer Art von Barnumschem -, oder Hagenbeckscher Raubtierschau – von Leuten, die »um das Rhinozeros zu sehen« keine Ausgaben scheuen, für Geld und gute Worte in Tingeltangels besehen lassen. Hat's vielleicht auch getan. Aber das unwürdige Handwerk ist ihm, wenn ich mich recht erinnere, wohl gelegt worden; oder es hat ihn aufgegeben. Ich weiß nicht genau. Er hat, glaube ich, mit seinen Postkarten gehandelt, gelegentlich durch seinen »Sekretär« die Zeitungen mit Berichtigungen gelangweilt und andere Torheiten der Art begangen. Der Mann hat mich in dieser Phase seiner Entwicklung nicht mehr interessiert. Wäre er doch der herrliche Hauptmann von Köpenick geblieben! 
Nun, solange es Menschen gibt, die für urkräftige Komik Sinn haben, wird er es bleiben. Das unsinnige Nachspiel wird man vergessen und nur eine unbestimmte Erinnerung daran bewahren, dass die zunächst erschütternde menschliche Tragödie nach ihrem komischen Höhepunkt einen zwar matten, aber doch versöhnlichen Schluss gehabt hat." (2)

Da war der Herr Journalist wohl ein wenig verärgert. Dabei hat seine Zeitung doch bloß Voigts Urheberrecht verletzt. Und dann will Voigt auch noch Geld mit seiner Geschichte verdienen? Unerhört!

Das macht er aber auf jeden Fall. Für eine Grammophonaufnahme bekam er 200.- Mark und im Berliner Wachsfigurenkabinett wurde seine Figur ausgestellt. Zumindest auf seinen Postkarten und Fotos trägt er auch wieder Uniform.


Wilhelm Voigt in Uniform. 

Die Originale kann es ja nicht sein, denn die wurde, wie wir uns erinnern ja eingezogen. Die Bilder kann man deshalb auch nicht zur Beurteilung heranziehen, wie glaubhaft Voigt als Hauptmann wirkte. 
Nicht nur dem Herrn Lindau, sondern auch der preußischen Obrigkeit gefällt sein Auftreten nicht unbedingt. Voigt steht ja weiterhin unter Polizeiaufsicht und dass eine oder andere Mal soll er auch verhaftet worden sein. 
Voigt trat deshalb zunehmend im Ausland auf und zog schließlich 1910 nach Luxemburg. 
Voigt war wohlhabend geworden und kaufte ein Automobil und ein Haus. 
Dann brach der 1. Weltkrieg aus und Voigt verarmte wieder. Er starb am 3. Januar 1922 im Alter von 72 Jahren an einer Lungenerkrankung. 

Noch einmal soll er da den Hauptmann gegeben haben. Der Trauerzug soll einen Trupp Soldaten begegnet sein. Der Offizier fragte, wer da beerdigt würde. Ihm wurde auf französisch geantwortet :"Le Capitaine de Coepenick!"
In der Annahme, dass es sich um einen echten Hauptmann handelt, wies der Offizier seinen Trupp an, den Zug mit einer militärischen Ehrenbezeugung passieren zu lassen. 

Und in Köpenick? Da gibt es im Rathaus eine Dauersaustellung zum Hauptmann. 

Ende


(1) Voigt, Wilhelm. Wie Ich Hauptmann von Köpenick wurde. Julius Püttmann, 1909

(2) Paul Lindau, Ausflüge ins Kriminalistische, Albert Langen, 1909

Mittwoch, 18. Juni 2025

Der Hauptmann von Köpenick (10)

Ursprünglich ging es hier ja um den Film von 1931. Also mal zurück zum Thema, bevor ich auf Voigts weiteres Leben eingehe. 

Wie bereits erwähnt habe ich den Film gesehen, bevor ich hier angefangen habe zu schreiben Dann noch einmal. Dann den Film mit Heinz Rühmann. Dann den mit Rudolf Platte und schließlich den mit Harald Juhnke. 

Zwei Hörspiele zum Thema, wobei eines nur Ausschnitte aus dem Film mit Rudolf Platte enthielt, habe ich mir angehört und Zuckmayers Stück als Taxt habe ich kurz überflogen. 

Und jetzt zähle ich mal auf, welche Szenen mir im Film gefehlt haben:

1.

Vor dem Einbruch in die Polizeistation übernachten Voigt und Kalle in einer Obdachlosenunterkunft, da beide kein Geld haben. Die Essensmarken leihen sie sich. Einer der Obdachlosen, Louis Gebweiler,  möchte, dass das Licht ausgemacht wird. Weil sich aber einige Insassen nicht daran halten und Skat spielen, kommt eine Patrouille zur Kontrolle. Gebweiler wird als Deserteur erkannt und verhaftet. 

Die Szene fehlt auch im Film mit Heinz Rühmann, ist aber im Film mit Rudolf Platte vorhanden. 

2.

Das Ehepaar Hoprecht, also Voigt Schwester und sein Schwager, haben ein schwerkrankes Mädchen namens Lieschen aufgenommen. Wilhelm Voigt verbringt Zeit mit ihr, liest ihr Märchen vor und erzählt ihr Geschichten aus seinen Leben.  Lieschen stirbt schließlich. 

Die Szenen sind im Film mit Heinz Rühmann enthalten. 

3.

Beim Kaisermanöverball trägt Wormsers Tochter Auguste die Uniform, trinkt Sekt und singt ein selbst komponiertes Lied. Sie flirtet mit Rittmeister von Schleinitz. 

Wormsers Sohn kippt Flaschen und Gläser um. Die Uniform wird dabei verschmutzt und soll nun zum Trödler. 

Auch diese Szene ist im Film mit Heinz Rühmann enthalten. 

4.

Mit der Hauptmannsuniform im Gepäck geht Wilhelm Voigt in den Park von Sanssouci und setzt sich auf eine Bank. 
Er beobachtet Offiziere, die sich über das Militärwesens austauschen, sowie Kindermädchen, die sich offensichtlich für die Offiziere interessieren. 
Mit einem Invaliden kommt er ins Gespräch. Als sich zwei Damen nähern, steht Voigt in militärischem Stil auf und macht ihnen Platz.

5.
Im Rühmann-Film wird die Geschichte noch ein wenig fortgesetzt bis zur Haftentlassung. 


Auch wenn ich einige Szenen, die in späteren Filmen zum Teil vorkommen, vermisst habe, hat mir der Film trotzdem gefallen. 
Und Max Adalbert als Hauptdarsteller war einfach großartig. 


Ende Teil 10





Dienstag, 17. Juni 2025

Der Hauptmann von Köpenick (9)

 Im Film stellt Voigt sich selbst, in seinem Buch beschreibt er, dass er verraten wurde und man ihn nie gefunden hätte, wenn es keinen "Judas" gegeben hätte. 


Dann wollen wir doch mal einen kurzen Blich auf die Ermittlungen der Berliner Kriminalpolizei werfen:

Das "Kalle" zur Polizei gerannt und ihn angeschwärzt hätte, stimmt nämlich so nicht. Das behauptete später nur Voigt.

Tatsächlich hatte der Herr Hauptmann Spuren hinterlassen. So konnte man ermitteln, dass er am Bahnhof Köpenick ein Ticket zweiter Klasse zum Schlesischen Bahnhof gekauft hatte. Er stieg aber schon in Rietz aus, vermutlich, weil ihm der Schlesische Bahnhof zu unsicher schien. 

Man fand wie erwähnt seinen Säbel und die weggeworfenen Uniformteile. So fand man auch heraus, wo Voigt die Uniform gekauft hatte. 

Und dann kaufte er auch noch nach der Tat Zivilkleidung und neue Schuhe. Dabei verhält er sich auch noch auffällig, indem er sich im Kleidungsgeschäft, vermutlich aufgrund der groben und schmutzigen Unterwäsche, weigert den Uniformrock zur Anprobe auszuziehen. Statt dessen lässt er nur Maß nehmen und nimmt dann einen Anzug mit, obwohl die Ärmel vermutlich zu lang sind. 

Im Schuhgeschäft ließ er die alten Schuhe zurück, gab an, er sei der Hauptmann von Mahlzahn und sein Bursche würde die alten Schuhe abholen. Und dann will er auch noch mit einen auffälligen großen Geldschein aus der Beute bezahlen. Der ist beschädigt und könnte wiedererkannt werden. Voigt wollte ihn loswerden. Den Schein konnte der Schuhmacher aber nicht wechseln, weshalb er dann doch mit passenden Kleingeld bezahlt. 

Unauffällig verhalten geht anders. 

Da hätte er gleich sagen können: "Prägen sie sich mein Gesicht gut ein! Sie werden von der Polizei noch als Zeuge gebraucht!"

Trotz der hohen Belohnung passierte aber erst einmal nichts weiterführendes. Die Annahme, dass der Hauptmann von Köpenick aus Berliner Verbrecherkreisen stammte, traf nämlich nicht zu. Voigt hielt keinen Kontakt zu Berliner Kriminellen.   

Das große Interesse an dem Fall führte aber zunächst zu vielen falschen Hinweisen. Auch Unschuldige wurden festgenommen und wieder laufen gelassen.

Voigt blieb währenddessen, unter dem Vorwand krank zu sein, zu Hause und ließ sich Essen und Getränke aufs Zimmer bringen. 

Klüger wäre es natürlich gewesen aus Berlin zu verschwinden, aber Voigt unterschätzte die Polizei und fühlte sich sicher. Er glaubte einfach nicht daran, dass man ihn  auf die Schliche kommen würde. 

Betraut mit dem Fall war der Berliner Kriminalkommissar Wehn. Und der hielt an der Überzeugung fest, das der Hauptmann von Köpenick ein routinierter Verbrecher sein müsse. Weil die vielen falschen Hinweise aus Berlin nicht weiterführten schrieb Kommissar Wehn alle Gefängnisse in Deutschland an. 

Aus dem Zuchthus Rawitsch (heute Rawicz, Polen), erhielt er schließlich die Nachricht, dass Voigt, der eine gewisse Ähnlichkeit mit der Beschreibung hatte, dort eingesessen hätte. 

Auf Nachfragen im Gefängnis meldete sich dann auch Kallenberg, der aussagte, dass Voigt eine Sache mit dem Militär "drehen" wollte.

Wehn folgte nun den Spuren Voigts und traf auf dessen ehemaligen Arbeitgeber in Wismar. Der besaß tatsächlich ein Foto von Voigt. Dieser hatte sich zusammen mit seiner Schwester fotografieren lassen und das Bild seinen ehemaligen Meister in "dankbarer Verehrung" geschickt. 

Wehn  ließ das Bild kopieren und legte es den Zeugen vor. Voigt hatte sich zwar den Vollbart abrasiert, den er auf den Bild noch trug, aber der Verkäufer der Uniform erkannte ihn  sofort wieder. 

Die Polizei, es war nun der 25. Oktober 1906, war sich nun sicher, dass Voigt der Hauptmann von Köpenick war, konnte ihn aber weder bei seiner Schwester, noch bei einer Braut aufgreifen. 

Beide sagten aber aus, dass er in Berlin wohnen würde. Die genaue Adresse würden sie nicht kennen, gaben aber an, dass es sich um ein Haus in der Langen Straße handeln würde, wo Voigt in der 4.Etage wohnen würde.  

Die Polizei fand schnell heraus, dass zwei Schlafburschen bei einer Familie in der vierten Etage des Hauses 22 wohnten. 

Das Haus wurde umstellt. Um eine Flucht über die Dächer zu verhindern wurde auch ein Posten an der Dachluke aufgestellt. 

Dann trat die Polizei in das Zimmer ein. Voigt saß hinter dem Tisch auf einen Sofa und frühstückte. 

Einer der Beamten schob daraufhin sofort den Tisch gegen Voigt, so dass er nicht aufstehen konnte, andere Beamte besetzten das Fenster. 

Er wurde mit Namen angesprochen und ihm vorgehalten, dass er der Hauptmann von Köpenick sei. Voigt wagte nicht mehr zu widersprechen.

Er bat lediglich darum, dass er zu ende frühstücken dürfe. Das wurde ihm gestattet. Währenddessen wurde die Wohnung durchsucht. 

Dabei wurde der irrtümlich gekaufte Kavalleriesäbel, ein Teil der Beute, die sich noch in einen Beutel mit Köpenicker Siegel befand und die neuen Kleidungsstücke gefunden. Den beschädigten 50.- Mark-Schein fand man in seinem Portemonnaie. 

Voigt stellt seine Verhaftung ein wenig anders dar:

"Die Polizeibehörde war, als sie mich in meiner Wohnung aufsuchte, noch keineswegs davon überzeugt, dass ich wirklich der Hauptmann von Köpenick wäre. Ich wurde deshalb in freundlicher Weise gebeten, zwecks einer Unterredung mit nach dem Polizeipräsidium zu fahren. Von einer Verhaftung in meiner Wohnung ist nie die Rede gewesen, sie konnte auch nicht stattfinden, bevor festgestellt war, dass ich wirklich der Täter war.

Der Ruhm, den sich die Polizeibehörde aus meiner Entdeckung holen wollte, gebührt ihr in diesem Falle keineswegs. Auf dem Polizeibüro gestand ich sofort zu, dass ich der Hauptmann wäre.

Der Chef der Kriminalpolizei verhandelte in der freundlichsten Weise mit mir. Nur als die Herren in etwas freier Weise sich über die Köpenicker lustig machen wollten, erklärte ich ihnen mit dürren Worten, dass es den Herren von der Polizei genau ebenso ergangen wäre, wenn es mir gefallen hätte, auf das Berliner Polizeipräsidium zu kommen!" 
 (1)

Auch hier schwindelt unser Hauptmann mal wieder ein wenig.
Voigt ist nun verhaftet und landet in Untersuchungshaft. 

"Ich wurde nun zunächst ins Untersuchungsgefängnis überführt. Die Staatsanwaltschaft glaubte in mir so einen recht schweren Verbrecher zu finden, aber schon nach meiner ersten Vernehmung ließ sie den Glauben fahren und trat weit weniger zuversichtlich in die Ermittlungen ein, weil ein Paragraph im Strafgesetz nicht vorhanden war, nach welchem meine Tat zu bemessen gewesen wäre."

Na ja, da gab und gibt es doch einige.

Das Urteil des Landgerichts Berlin II – "Im Namen des Königs!" – in der Strafsache gegen Voigt vom 1. Dezember 1906 (Az. II 2 f. L. 3 Nr. 58.06) erkannte für Recht:

"Der Angeklagte ist des unbefugten Tragens einer Uniform, des Vergehens wider die öffentliche Ordnung, der Freiheitsberaubung, des Betruges und der schweren Urkundenfälschung, alles verübt im rechtlichen Zusammenhang, schuldig und wird deshalb zu einer Gefängnisstrafe von 4 – vier – Jahren verurteilt. Er trägt die Kosten des Verfahrens. Die von dem Angeklagten bei der Straftat getragenen militärischen Ausrüstungsgegenstände werden eingezogen."

Voigt hatte sich sich in Teilen schuldig bekannt, aber den Betrug und die Urkundenfälschung bestritten. Dabei blieb er auch später noch. 

Nach zwei Jahren Haft wurde er vom Kaiser begnadigt. 



Ende Teil 9


(1) Voigt, Wilhelm. Wie Ich Hauptmann von Köpenick wurde. Julius Püttmann, 1909





Freitag, 13. Juni 2025

Der Hauptmann von Köpenick (8)

Im Film treffen mittlerweile die Wagen mit den Gefangenen vor der Neuen Wache in Berlin ein. 

Eine kleine Anmerkung zur Neuen Wache, die sich in der Straße Unter den Linden 4 befindet:

Es handelt sich um ein  klassizistisches, von Karl Friedrich Schinkel entworfenes Wachgebäude für das königliche Palais, welches zwischen 1816 und 1818 erbaut wurde. Das Gebäude wurde im 2.Weltkrieg zerstört, aber zwischen 1951 und 1957 wieder aufgebaut. Heute befindet sich in der Neuen Wache die Zentrale Gedenkstätte der Bundesrepublik Deutschland für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft.

Der Wachtmeister macht Meldung: "Ich bringe die Gefangenen! Wo ist der Wachhabende?"

Es erscheint ein Leutnant.

Wachtmeister: "Bürgermeister Obermüller, Stadtkämmerer Rosenkrantz auf allerhöchstem Befehl als Gefangene abzuliefern!"

"Na, zeigen se mal her!" 

Der Wachtmeister lässt Bürgermeister und Stadtkämmerer im Kommandoton antreten. 

Der Leutnant fordert den Wachtmeister auf mal seine Order zu zeigen. Die hat er natürlich nicht. 

"Sie müssen doch einen Haftbefehl haben!"

Hat er auch nicht. "Herr Hauptmann haben alles mündlich angeordnet." 

Wird sich alles finden. 

Voigt hat sich mittlerweile in der Bahnhofstoilette wieder umgezogen und die Gefangenen erfahren, dass sie einen Bubenstreich zum Opfer gefallen sind. 

Stadtkämmerer: "Das ist ja empörend! Damit kann man sich doch die ganze Karriere versauen!"

Voigts Soldaten treffen nun auch ein. "Ein Gefreiter, acht Mann aus Köpenick zurück!"

"Scheren sie sich raus!"

Der Oberst entschuldigt sich beim Bürgermeister. Der nickt und meint: "Die Öffentlichkeit wird sich mit dem Fall noch zu beschäftigen haben!"

Oberst: "Das glaube ich auch."

Obermüller geht und die Offiziere beginnen zu lachen. Das Gelächter wird direkt in der nächsten Szene fortgesetzt. Die Gäste eines Cafes amüsieren sich prächtig. Die Zeitung mit dem Artikel über den Hauptmann von Köpenick verkauft sich prächtig. Voigt, der sich dort aufhält, verlässt nervös das Lokal. 

An einer Litfaßsäule liest ein Bürger einen Steckbrief vor. Die Umstehenden lachen und Voigt fällt mit ein. 

Die Presse, auch die internationale berichtet, der Kaiser lacht und die Polizei ermittelt. 

"Schon wieder ein Hauptmann von Köpenick verhaftet!" Der 42. (Da hätten wir wieder die Antwort auf die „endgültige Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest" Aber das ist eine andere Geschichte.)

Voigt geht nun zur Polizei. Sein Angebot: Er liefert den Hauptmann von Köpenick und bekommt dafür einen Pass. 

Der Pass wird versprochen, Voigt stellt sich. 

Alle, auch der Polizeipräsident sind freundlich. Voigt bekommt einen eingeschenkt und wird betrunken. 

"Wie kamen sie denn auf Köpenick?"

"Das war das nächste auf der Bahnstrecke."

Aber wenn er ja gewusst hätte, dass es dort keine Pässe gibt, dann wäre er nach Teltow aufs Kreisamt. 

Voigt verteidigt auch den Bürgermeister: "Das wäre ihnen allen ganz genau so passiert. Das liegt in der Natur der Sache."

Voigt soll die Uniform noch mal anziehen: "Ach lassen se mal! Der Mantel genügt! Die Uniform habe ich gar nicht darunter angehabt.".

In den späteren Filmen zieht Voigt übrigens die Uniform an.

Voigt erklärt, warum er nicht mit dem Geld abgehauen ist und schwärmt von der Zeit nach seiner Haftentlassung. Der Film endet hier mit seinem Schlussmonolog. 

Der Film ist nun zu Ende und ich bin mir nicht sicher, ob ich vielleicht eine gekürzte Fassung gesehen habe. 

Der Film war nämlich nur 81 Minuten lang. Im einen der nächsten Teile werde ich mal aufzählen welche Szenen  ich so vermisst habe


Die Offiziere, die sich schließlich in der Neuem Wache mit dem "festgenommenen" Bürgermeister Dr. Langerhans beschäftigten, waren übrigens der Generaladjutant Graf von Moltke und Major Prinz Joachim Albrecht von Preußen, der gleich mit einen Kriminalbeamten erschien. 

Aber zuerst mal zurück zum echten Voigt. Der beschreibt den weiteren Verlauf so:


"Ich ging dann zu Fuß zum Bahnhof und fuhr mit dem Zuge nach Berlin. 
Hier begab ich mich zunächst in ein der »Neuen Wache« nahegelegenes Café, denn ich war selbst begierig, zu erfahren, welchen Verlauf die Dinge in Berlin nehmen würden. Ich sah von hier aus mit an, wie die Wagen in Berlin eintrafen.

Als ich nach dem Eintreffen des Bürgermeisters vor der »Neuen Wache« erkannt hatte, dass meine Befehle pünktlich ausgeführt waren, verschaffte ich mir einen Zivilanzug und kleidete mich dann sofort um, so dass ich unbemerkt in der späteren Abendstunde meine Wohnung wieder erreichen konnte."
(1)

Soll man dass glauben? Anstatt die Uniform möglichst schnell loszuwerden und unterzutauchen, spielt Voigt weiter den Hauptmann, geht sogar in Berlin in ein Café und beobachtet die Ankunft des Bürgermeisters?

Ich habe da so meine Zweifel.

Seinen Säbel fand man zumindest in der Bahnhofstoilette der Kleinbahn von Mittenwalde. Einzelne Teile der Uniform wurden auf dem Tempelhofer Feld gefunden. 

Keinen Pass erbeutet und sich dann selber gestellt um doch noch einen zu bekommen? Tja, ein deutsches Märchen. Dieser ganze Teil ist von Zuckmayer frei erfunden, 

Die Ermittlungen der Polizei sind schließlich  erfolgreich. Voigt wird verraten. Ausgerechnet von seinen Kumpel und Zellengenossen "Kalle".

Einen Abschnitt seines Buches nennt Voigt deshalb auch "Der Verräter".


"Ich hatte keine Veranlassung zu glauben, dass meine Entdeckung durch die Ermittlung der Polizei erfolgen würde, denn ich war den Personen, mit denen ich in Berührung gekommen war, persönlich unbekannt. Selbst meine Hausgenossen konnten keine Ahnung davon haben, dass ich in irgendeiner Beziehung zu der Köpenicker Affäre gestanden hätte.

Ich bin wiederholt an den Litfaßsäulen gewesen und habe dem Publikum Proklamationen der Behörde vorgelesen.

Die Behörde würde auch den »Hauptmann von Köpenick« noch heute vergeblich suchen, wenn sich nicht ein Judas gefunden hätte, der den ausgesetzten Lohn von dreitausend Mark sich verdienen wollte." (1)

Und woher Kallenberg das wusste?

"Vor etwa sieben Jahren hatte ich im Gespräch mit Gefangenen, die sich darüber unterhielten, wie schwer es sei, mal ein ordentliches Geschäft zu machen, weil man so selten genügend Leute zusammenbekommen könnte, auf die wirklich Verlass wäre, geäußert: »Ihr Einfaltspinsel, wenn ich mich zu derartigen Sachen hergeben wollte, dann würde ich mir einfach Soldaten von der Straße holen!«

Diese hingeworfene Bemerkung hatte sich mein lieber Freund Kallenberg gemerkt. Jetzt war eine derartige Sache wirklich ausgeführt worden, und da entsann er sich sofort unserer damaligen Unterredung.

Er machte von diesem seinem Wissen der Behörde Mitteilung. Da ich stets angemeldet gewohnt habe und auch der Arbeitsplatz, auf dem ich beschäftigt war, den Behörden bekannt war, so war es leicht, meinen Aufenthaltsort festzustellen."
(1)

Nein, nein! Auch das glaube ich nicht. Eine hingeworfene Bemerkung und Kalle kann sich 7 Jahre später noch erinnern? 

Und man würde ihn ohne den "Judas" immer noch vergeblich suchen? Auch hier ein klares "Nein!". 



Ende Teil 8



(1) Voigt, Wilhelm. Wie Ich Hauptmann von Köpenick wurde. Julius Püttmann, 1909, S.107 ff..


(2) Klaußmann, Anton Oskar. Der Falsche Hauptmann von Cöpenick. Verlagshaus für Volksliteratur und Kunst, 1906