Dienstag, 17. Juni 2025

Der Hauptmann von Köpenick (9)

 Im Film stellt Voigt sich selbst, in seinem Buch beschreibt er, dass er verraten wurde und man ihn nie gefunden hätte, wenn es keinen "Judas" gegeben hätte. 


Dann wollen wir doch mal einen kurzen Blich auf die Ermittlungen der Berliner Kriminalpolizei werfen:

Das "Kalle" zur Polizei gerannt und ihn angeschwärzt hätte, stimmt nämlich so nicht. Das behauptete später nur Voigt.

Tatsächlich hatte der Herr Hauptmann Spuren hinterlassen. So konnte man ermitteln, dass er am Bahnhof Köpenick ein Ticket zweiter Klasse zum Schlesischen Bahnhof gekauft hatte. Er stieg aber schon in Rietz aus, vermutlich, weil ihm der Schlesische Bahnhof zu unsicher schien. 

Man fand wie erwähnt seinen Säbel und die weggeworfenen Uniformteile. So fand man auch heraus, wo Voigt die Uniform gekauft hatte. 

Und dann kaufte er auch noch nach der Tat Zivilkleidung und neue Schuhe. Dabei verhält er sich auch noch auffällig, indem er sich im Kleidungsgeschäft, vermutlich aufgrund der groben und schmutzigen Unterwäsche, weigert den Uniformrock zur Anprobe auszuziehen. Statt dessen lässt er nur Maß nehmen und nimmt dann einen Anzug mit, obwohl die Ärmel vermutlich zu lang sind. 

Im Schuhgeschäft ließ er die alten Schuhe zurück, gab an, er sei der Hauptmann von Mahlzahn und sein Bursche würde die alten Schuhe abholen. Und dann will er auch noch mit einen auffälligen großen Geldschein aus der Beute bezahlen. Der ist beschädigt und könnte wiedererkannt werden. Voigt wollte ihn loswerden. Den Schein konnte der Schuhmacher aber nicht wechseln, weshalb er dann doch mit passenden Kleingeld bezahlt. 

Unauffällig verhalten geht anders. 

Da hätte er gleich sagen können: "Prägen sie sich mein Gesicht gut ein! Sie werden von der Polizei noch als Zeuge gebraucht!"

Trotz der hohen Belohnung passierte aber erst einmal nichts weiterführendes. Die Annahme, dass der Hauptmann von Köpenick aus Berliner Verbrecherkreisen stammte, traf nämlich nicht zu. Voigt hielt keinen Kontakt zu Berliner Kriminellen.   

Das große Interesse an dem Fall führte aber zunächst zu vielen falschen Hinweisen. Auch Unschuldige wurden festgenommen und wieder laufen gelassen.

Voigt blieb währenddessen, unter dem Vorwand krank zu sein, zu Hause und ließ sich Essen und Getränke aufs Zimmer bringen. 

Klüger wäre es natürlich gewesen aus Berlin zu verschwinden, aber Voigt unterschätzte die Polizei und fühlte sich sicher. Er glaubte einfach nicht daran, dass man ihn  auf die Schliche kommen würde. 

Betraut mit dem Fall war der Berliner Kriminalkommissar Wehn. Und der hielt an der Überzeugung fest, das der Hauptmann von Köpenick ein routinierter Verbrecher sein müsse. Weil die vielen falschen Hinweise aus Berlin nicht weiterführten schrieb Kommissar Wehn alle Gefängnisse in Deutschland an. 

Aus dem Zuchthus Rawitsch (heute Rawicz, Polen), erhielt er schließlich die Nachricht, dass Voigt, der eine gewisse Ähnlichkeit mit der Beschreibung hatte, dort eingesessen hätte. 

Auf Nachfragen im Gefängnis meldete sich dann auch Kallenberg, der aussagte, dass Voigt eine Sache mit dem Militär "drehen" wollte.

Wehn folgte nun den Spuren Voigts und traf auf dessen ehemaligen Arbeitgeber in Wismar. Der besaß tatsächlich ein Foto von Voigt. Dieser hatte sich zusammen mit seiner Schwester fotografieren lassen und das Bild seinen ehemaligen Meister in "dankbarer Verehrung" geschickt. 

Wehn  ließ das Bild kopieren und legte es den Zeugen vor. Voigt hatte sich zwar den Vollbart abrasiert, den er auf den Bild noch trug, aber der Verkäufer der Uniform erkannte ihn  sofort wieder. 

Die Polizei, es war nun der 25. Oktober 1906, war sich nun sicher, dass Voigt der Hauptmann von Köpenick war, konnte ihn aber weder bei seiner Schwester, noch bei einer Braut aufgreifen. 

Beide sagten aber aus, dass er in Berlin wohnen würde. Die genaue Adresse würden sie nicht kennen, gaben aber an, dass es sich um ein Haus in der Langen Straße handeln würde, wo Voigt in der 4.Etage wohnen würde.  

Die Polizei fand schnell heraus, dass zwei Schlafburschen bei einer Familie in der vierten Etage des Hauses 22 wohnten. 

Das Haus wurde umstellt. Um eine Flucht über die Dächer zu verhindern wurde auch ein Posten an der Dachluke aufgestellt. 

Dann trat die Polizei in das Zimmer ein. Voigt saß hinter dem Tisch auf einen Sofa und frühstückte. 

Einer der Beamten schob daraufhin sofort den Tisch gegen Voigt, so dass er nicht aufstehen konnte, andere Beamte besetzten das Fenster. 

Er wurde mit Namen angesprochen und ihm vorgehalten, dass er der Hauptmann von Köpenick sei. Voigt wagte nicht mehr zu widersprechen.

Er bat lediglich darum, dass er zu ende frühstücken dürfe. Das wurde ihm gestattet. Währenddessen wurde die Wohnung durchsucht. 

Dabei wurde der irrtümlich gekaufte Kavalleriesäbel, ein Teil der Beute, die sich noch in einen Beutel mit Köpenicker Siegel befand und die neuen Kleidungsstücke gefunden. Den beschädigten 50.- Mark-Schein fand man in seinem Portemonnaie. 

Voigt stellt seine Verhaftung ein wenig anders dar:

"Die Polizeibehörde war, als sie mich in meiner Wohnung aufsuchte, noch keineswegs davon überzeugt, dass ich wirklich der Hauptmann von Köpenick wäre. Ich wurde deshalb in freundlicher Weise gebeten, zwecks einer Unterredung mit nach dem Polizeipräsidium zu fahren. Von einer Verhaftung in meiner Wohnung ist nie die Rede gewesen, sie konnte auch nicht stattfinden, bevor festgestellt war, dass ich wirklich der Täter war.

Der Ruhm, den sich die Polizeibehörde aus meiner Entdeckung holen wollte, gebührt ihr in diesem Falle keineswegs. Auf dem Polizeibüro gestand ich sofort zu, dass ich der Hauptmann wäre.

Der Chef der Kriminalpolizei verhandelte in der freundlichsten Weise mit mir. Nur als die Herren in etwas freier Weise sich über die Köpenicker lustig machen wollten, erklärte ich ihnen mit dürren Worten, dass es den Herren von der Polizei genau ebenso ergangen wäre, wenn es mir gefallen hätte, auf das Berliner Polizeipräsidium zu kommen!" 
 (1)

Auch hier schwindelt unser Hauptmann mal wieder ein wenig.
Voigt ist nun verhaftet und landet in Untersuchungshaft. 

"Ich wurde nun zunächst ins Untersuchungsgefängnis überführt. Die Staatsanwaltschaft glaubte in mir so einen recht schweren Verbrecher zu finden, aber schon nach meiner ersten Vernehmung ließ sie den Glauben fahren und trat weit weniger zuversichtlich in die Ermittlungen ein, weil ein Paragraph im Strafgesetz nicht vorhanden war, nach welchem meine Tat zu bemessen gewesen wäre."

Na ja, da gab und gibt es doch einige.

Das Urteil des Landgerichts Berlin II – "Im Namen des Königs!" – in der Strafsache gegen Voigt vom 1. Dezember 1906 (Az. II 2 f. L. 3 Nr. 58.06) erkannte für Recht:

"Der Angeklagte ist des unbefugten Tragens einer Uniform, des Vergehens wider die öffentliche Ordnung, der Freiheitsberaubung, des Betruges und der schweren Urkundenfälschung, alles verübt im rechtlichen Zusammenhang, schuldig und wird deshalb zu einer Gefängnisstrafe von 4 – vier – Jahren verurteilt. Er trägt die Kosten des Verfahrens. Die von dem Angeklagten bei der Straftat getragenen militärischen Ausrüstungsgegenstände werden eingezogen."

Voigt hatte sich sich in Teilen schuldig bekannt, aber den Betrug und die Urkundenfälschung bestritten. Dabei blieb er auch später noch. 

Nach zwei Jahren Haft wurde er vom Kaiser begnadigt. 



Ende Teil 9


(1) Voigt, Wilhelm. Wie Ich Hauptmann von Köpenick wurde. Julius Püttmann, 1909





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