Samstag, 26. Juli 2025

Von Elefanten, Schwebebahnen und Eiffeltürmen

Für Morgen ist mal wieder ein Besuch in Wuppertal geplant und ich hoffe, dass ich auch Zeit für eine kleine Fahrt mit der Schwebebahn habe. 

Vor Jahren schon mal in einen anderen Blog einen Beitrag zur Schwebebahn geschrieben, den ich nun tatsächlich wiedergefunden habe. Er hat mittlerweile das stolze Alter von 12 Jahren. Wie die Zeit vergeht...

Ich saß damals zuhause, schnupfte Taschentücher voll, las Blogs, kramte in alten Bildern und stieß dabei auf einen Beitrag über Paris. 

Zu Paris fiel mir ein, dass ich auch schon mal dort war. Und eine kleine Geschichte zum Eiffelturm kenne ich auch. Und weil sich die Geschichte um Elefanten dreht, passte sie dann auch zur Schwebebahn in Wuppertal.



Der Eiffelturm, nicht 1948, sondern 1983. Von mir geknipst, aber ohne Elefant und ohne Zirkus



Und nun zur Geschichte:

1948 hatte der Circus Bouglione sein Zelt direkt unter dem Eiffelturm aufgebaut.
Ich war ja, wie erwähnt auch schon mal dort, allerdings ohne Zelt, kann Euch aber versichern, dass so ein Zelt locker darunter passt.
Eine der Attraktionen des Circus Bouglione war ein Elefant dessen Namen ich nicht kenne, von dem ich aber weiß, dass er mit seinen 85 Jahren der älteste Elefant der Welt gewesen sein soll.
Menschen machen ja sehr häufig komische Sachen mit Elefanten. Ich erinnere hier mal an die Elefantenkuh Tuffi, die zu Werbezwecken in die Wuppertaler Schwebebahn gestopft wurde.
Tuffi, beim Zirkus Althoff beschäftigt, wurde das nach der Abfahrt allerdings zu viel, sie rannte durch den Triebwagen durchbrach eine Seitenwand und plumpste in die Wupper.
Es waren zwar dutzende Fotografen anwesend, aus Panik drückte aber niemand auf den Auslöser. Deshalb gibt es vom Tuffi-Sprung nur eine schlechte Fotomontage. Und die Milchwerke Köln-Wuppertal verkauften ihre Produkte fortan unter dem Namen Tuffi.
Auch der Herr Bouglione, um auf den Eiffelturm zurückzukommen, hatte so eine merkwürdige Idee und verfrachtete, schon zwei Jahre vor Tuffi, seinen uralten Elefanten auf die erste Plattform des Turms.
Dabei ging alles glatt, weshalb sich im Gegensatz zu Tuffi auch niemand an den Namen des Elefanten erinnert.
Dafür dürfte er seit Errichtung des Turms der bis heute schwerste Besucher des Eiffelturms gewesen sein.
Den Circus Bouglione in Paris gibt es heute noch und er behauptet der älteste Zirkus der Welt zu sein. . Werbung zahlt sich eben manchmal aus.

Mittwoch, 16. Juli 2025

Die Kommunistenkurve

Ich habe am Montag eine "Dokumentation" gesehen.

Die Sendung lief vor über einem Jahr auf einem Privatsender und wurde anschließend vom Sender auch auf YouTube hochgeladen. Am Montag hat sie es dann aus irgendwelchen Gründen in meine Vorschlagsliste geschafft. 

Es ging um "geheime Plätze" in Dortmund. Wenn ich jetzt alle Fehler und falschen Behauptungen durchgehe, die da verbreitet wurden, wird das hier wieder ein Mehrteiler wie beim Hauptmann von Köpenick. Nur länger vermutlich. 

Ok, es gab drei "geheime Orte". Die Technik der LED-Bildschirme vom Dortmunder U ist jetzt nicht besonders versteckt und ob ein Sternekoch in einer ehemaligen Fabrikhalle ein überteuertes Menü auftischt ist jetzt auch nicht unbedingt ein Staatsgeheimnis. Eher versteckte Werbung. 

Aber den Beitrag mit der Kommunistenkurve fand ich interessant. Versteckt irgendwo in Dortmund, stehen halb von Erde bedeckt Denkmäler aus Sowjetzeiten. Die kennt dann auch niemand bis auf die bekannteste Stadtführerin von Dortmund. 

Was für ein....

Na ja, ich hatte davon schon einmal gehört. Die Dortmunder können die Kommunistenkurve auch nicht finden, weil sie gar nicht in Dortmund ist, sondern in der Nachbarstadt Lünen. 

Dort stehen die besagten Köpfe im Seepark und sind eigentlich vom Weg aus zu sehen und leicht zu finden. 

Also nichts mit großem Geheimnis. 

Und weil ich noch nie dort war, bin ich am Dienstag dann einfach mal dort hin gefahren. 

Mit Bus, Bahn und Schienenersatzverkehr habe ich es dann tatsächlich geschafft anzukommen, habe noch eine schöne Wanderung in Lünen gemacht und die alten Kommunistenköppe fotografiert. 





Und was hat es nun damit auf sich? 
Dort wo sich heute der Seepark befindet, war früher die Zeche Preußen. Die Zeche wurde bereits 1929 stillgelegt. Auf dem Gelände wurde ein Park errichtet, in dem 1996 die Landesgartenschau stattfand. 
Derweil standen im Standort Lünen der Hüttenwerke Kayser noch einige Denkmäler aus Sowjetzeiten herum, die dort eingeschmolzen werden sollten. 
Die damalige Lünener Bürgermeisterin, Christina Dörr-Schmidt, soll die Denkmäler entdeckt und die Idee gehabt haben, daraus eine Kunstinstallation zu errichten. Und so landeten Lenin, Engels und Genossen bei der Landesgartenschau in Lünen um dort den Niedergang der Sowjetunion und ihrer Ikonen und den damit verbundenen Personenkult zu symbolisieren. 
Und da stehen sie halt noch heute. 






Sollte mir also noch mal so eine Dummfugsendung aufgetischt werden, dann werde ich sie vermutlich wieder anschauen. Immerhin gab sie mir die Idee für eine schöne kleine Expedition ins Ruhrgebiet. 

Dienstag, 15. Juli 2025

Der Untergang von Pompeji

 




Ich gebe es ja zu! Die letzten Tage war ich ein  wenig schreibfaul.
Es drängte sich auch kein Thema auf. 
Jetzt habe ich in meinen Bilderarchiv aber ein paar Fotos von 2022 gefunden. 
Meine Frau war zur Kur in Bad Rothenfelde und ich habe sie am Wochenende dort besucht.
Die Gelegenheit haben wir dann genutzt und das Museum in Kalkriese besucht.
Wir erinnern uns:

Im Jahre 9 n. Chr. zog ein Herr Varus mit einer Reisegruppe von ca. 18.000 Römern hier durch um den germanischen Stämmen zu zeigen, wer der Chef ist.
Wie das ausging wissen wir alle.
In Kalkriese gibt es heute ein Museum zur Varusschlacht und dort gab es  eine Sonderausstellung zum Untergang von Pompeji.
Also nur Katastrophen dort zu sehen.

Damit währen wir dann beim Thema. 70 Jahre nach der Varusschlacht, also im Jahr 79 n. Chr. brach der Vesuv aus. Die Lavamassen verschütteten das antike Pompeji, sowie die Nachbarstädte Herculaneum und Stabiae. 
Schätzungsweise kamen dabei etwa 2000 Menschen ums Leben, während 18.000 noch fliehen konnten. 
Pompeji geriet im Laufe der Zeit weitgehend in Vergessenheit und wurde nur hin und wieder von Grabräubern besucht. 
Wissenschaftliche Ausgrabungen begannen offiziell am 6.April 1748, nachdem bereits seit 1709 Grabungen in Herculaneum durchgeführt wurden. 

Die Bilder oben zeigen drei Fundstücke aus Pompeji. 

Insgesamt gefiel mir die Sonderausstellung damals besser als das Museum. Ich schau mir halt gerne Artefakte an und bin nicht so der Freund von Animationen und moderner Museumspädagogik. 
Also liebe Museen: Zeigt wieder mehr Fundstücke und nicht dunkle Kästen, wo man reingreifen und Wolle ertasten kann (Hab ganz vergessen, wo das war!)!

So jetzt habe ich auch genug geschrieben um euch drei Bilder zu zeigen. Bis zum nächsten Mal! 

Dienstag, 8. Juli 2025

Die Speichenhexe

 Wo wir schon mal bei Hexen waren , kann ich auch gleich noch eine Geschichte nachlegen. 

Neulich war ich mit einem Kollegen in Breckerfeld wandern. Dabei gingen wir auf dem Rückweg auch über den Wengeberg und machten dabei ordentlich Höhenmeter. Der Wengeberg ist nämlich mit 442 Metern die höchste Erhebung im Ennepe-Ruhr-Kreis. 

Über den Wengeberg führt die gut ausgebaute Landstraße L528. Aber auch in früheren Zeiten gab es hier bereits eine Straße. 

Und eine Hexe! Nämlich die Speichenhexe, die hier an der Straße ihr Unwesen getrieben haben soll.

Ein Breckerfelder Bauer soll einst mit seinem Fuhrwerk, im dichten Nebel auf dem Weg nach Hause gewesen sein, als er aus dem Unterholz lautes Wimmern und Stöhnen hörte. Obwohl der Bauer wusste, das es am Wengeberg spukt, hielt er an und kletterte von seinem Kutschbock. Wenn ein Mensch in Not war, musste er helfen. 

Mühsam kämpfte er sich durch das dichte Gestrüpp, bis er plötzlich vor einer grausig aussehenden Hexe stand.

Wirre zottelige Haare, eine lange mit Warzen übersäte Nase, ein einzelner gelber Zahn ragte aus ihren vertrockneten Mund (Wie man sich eine Hexe der hässlichen Art halt vorstellt!).

"Hilf mir Bauer! Ich stecke in einer Astgabel fest! Hol deine Axt und befreie mich! Schlag mir das Bein ab, damit ich los komme!"

Unserem hilfsbereiten Bauern war das nun aber doch zu gruselig. Unter lauten Gezeter und Fluchen der Hexe machte er das er wegkam. Drei Tage hörte man die Hexe noch schreien und fluchen, dann war Stille.

Seit jenem Tag aber bleiben immer wieder Wagen ohne erkennbaren Grund auf der Straße stecken und lassen sich trotz aller Mühe nicht mehr fort bewegen. Als wäre der Wagen festgehext. 

So soll es dann auch einige Zeit später unseren bereits bekannten Bauern gegangen sein. Der hatte aber eine Idee:

Um seinen Wagen zu befreien zerschlug er mit der Axt eine Speiche des festsitzenden Wagenrades mit den Worten: "Du hast mich festgesetzt, darum zerschlag ich dir die Speiche jetzt!"

Und schon war der Wagen frei und der Bauer konnte weiter. 


Mit Ende der Pferdewagen ging dann wohl auch die Hexe in den Ruhestand. Am Wengeberg bleibt man in heutiger Zeit wohl nicht mehr so oft stecken. Und solltet ihr doch mal liegen bleiben, dann zerdeppert nicht eure Leichtmetallfelgen, sondern ruft einfach den Pannendienst. 

Samstag, 28. Juni 2025

Tam o`Shanter

 

Lust auf eine Hexengeschichte? 

Ja, ich habe eine. Sie basiert auf dem Gedicht "Tam o`Shanter" des schottischen Dichters Robert Burns (* 25. Januar 1759 in Alloway, Ayrshire; † 21. Juli 1796 in Dumfries, Dumfriesshire), das dieser im Jahr 1790 schrieb. 


Held dieser Geschichte ist der Bauer Tam, der den Markt in Ayr, einer Stadt in Südwesten Schottlands, besucht. 

Seine Frau wartet derweil zu Hause und zieht, zumindest in der Vorstellung Tams, die Stirn in Falten und pflegt ihren Groll. 

Tam ist nämlich in ihren Augen ein sehr lockerer Vogel, ein Nichtsnutz, Angeber und Kneipenhocker. 

So ganz unrecht scheint sie damit nicht zu haben. Tam säuft die ganze Saison durch an jedem Markttag. 

Die Ratschläge seiner Frau, die Gute heißt übrigens Kathy, beachtet er natürlich gar nicht.

Auch diesmal nicht. Schließlich hat er seinen Saufkumpel, den Schuster John, getroffen, sitzt in der Kneipe am warmen Kamin, trinkt außergewöhnlich gutes Bier und fummelt mit der Wirtin, während John dem Wirt wilde Geschichten erzählt. 

Währenddessen zieht draußen ein heftiger Gewittersturm auf. Es hilft alles nichts, Tam muss nach Hause!

Und das in einer Nacht, wo im wahrsten Sinne des Wortes, der Teufel los ist. 

So schwingt sich Tam schließlich trotz des Wetters auf sein treues altes Pferd Maggie und reitet heimwärts. Regen Sturm und Blitze ignorierend, zieht er sich die Mütze tiefer ins Gesicht und summt ein Liedchen. 

Hin und wieder schaut er sich aber wachsam um, als er sich der alten Kirche von Alloway, nähert. So manches Unglück hat sich hier schon ereignet und mancher kam dabei ums Leben. All das soll von der alten Kirche ausgehen, in der es spukt.

Als er an der Ruine vorbei kommt, ist diese tatsächlich hell erleuchtet und Tam hört den Lärm von lauten Singen und Tanzen. 

Alkohol macht mutig und Tam ist immer noch ausreichend betrunken, weshalb er zur Kirche reitet und neugierig einen Blick hinein wirft. 

Hexen und Warlocks (Hexenmeister) tanzen dort im Kreis. Der Teufel selber sitzt als schwarzer, zausiger Kater am Fenster. Dazu ertönt eine grausige Musik, Leichen liegen aufgebahrt herum und halten Lichter in den Händen. Das Skelett eines Mörders, an den Altar gekettet, ein frisch vom Strick geschnittener Dieb und allerlei benutzte und blutige Mordwerkzeuge sind zu sehen.

Tam kann es nicht fassen und schaut sprachlos zu. Da wird die Musik schriller und schneller, der Tanz wird wilder, die Tanzenden reißen sich die Kleider vom Leib, tanzen im Unterhemd weiter und Tam ist begeistert von den heißen Hexenweibern. Die alten und hässlichen, die in der Halle auf ihren Besen herumfliegen ignoriert er natürlich. 

Er hat nämlich, genau wie Satan übrigens,  nur noch Augen für die Junghexe Nannie. Die wurde gerade erst in den Hexenzirkel aufgenommen und gibt zur Feier des Tages alles. 

Nannie ist im ganzen Land berühmt und berüchtigt. Kühe und Pferde soll sie tot schießen, Boote versenken und Bier und Whisky säuft sie wie kaum ein Mann. 

Jetzt trägt beim Tanzen nur noch ein Hemdchen, dass sie als Kind schon hatte und das für sie mit der Zeit doch schon arg kurz geworden ist. 

Vergessen sind Eheweib, Wirtin und alles andere. Tam verliert den Verstand applaudiert und brüllt laut "Bravo!"

Schlagartig wird es dunkel. Auch Tam dämmert nun trotz Trunkenheit, dass er da wohl einen kleinen Fehler begangen hat, befürchtet, dass er Kathy nie wiedersehen wird, und tritt eiligst den Rückzug an. 

Aber kaum hat er sich aufs Pferd geschwungen naht auch schon voller Mordlust die Höllenmeute, allen voran die stinkwütende Nannie. 

Tam feuert sein Pferd an und Maggie gibt alles. Wenn er die Brücke über den Doon erreicht, hat er gewonnen. Dort verliert der Spuk seine Macht. 

Kurz vor der Brücke bekommt Nannie Maggies Schweif zu packen. Aber ein letzter Sprung und Maggie ist auf der Brücke. Allerdings ohne Schweif. Den hat Nannie noch in der Hand. 



Tam o'Shanter at the Brig o'Doon. G.Cook, 1881


Und die Moral von der Geschichte? Da zitiere ich mal aus einer der deutschen Übersetzungen: 


"Wer immer die Geschichte liest,

Hab acht, damit du’s nicht vergisst:

Wann immer dich die Drinks verwirrn,

und Nannies sausen durch dein Hirn,

Ist solche Lust des Preises wert ?

Vergiss nie Tam o‘ Shanters Pferd!"



Noch eine kleine Anmerkung zum Schluss: 

Nannie wurde zur Vorlage der Gallionsfigur des Teeklippers Cutty Sark. Der Name des Schiffes bedeutet so viel wie "Süßes..." oder "Kurzes Hemdchen". 
Am Bug ist die Figur der Nannie zu sehen, sehr spärlich mit einem kurzen Hemd bekleidet und mit einen Schweif in der Hand.

Damit verabschiede ich mich mal für heute, wünsche euch noch ein schönes Wochenende und hoffe ihr schaut mal wieder rein! 


Freitag, 20. Juni 2025

Der Hauptmann von Köpenick (11)

 Voigt landet erst einmal wieder hinter Gittern.


"Ich wurde kurze Zeit, etwa zehn Tage, nachdem das Urteil rechtskräftig geworden, zur Verbüßung meiner Strafe in die Gefangenschaft nach Tegel überführt.


Schon am Nachmittag desselben Tages besuchte mich der Direktor, und die ersten Worte, die er an mich richtete, sind mir heute noch gegenwärtig: »Nun sind Sie also nach langer Irrfahrt hier gelandet!«

»Jawohl, Herr Direktor«, antwortete ich, »aber an welchem Ufer!«

Es ist mir sehr erfreulich, hier sagen zu können, dass die Gefängnisanstalt Tegel, sowohl was die Beamtenschaft anlangt wie in Bezug auf Pflege und Fürsorge, geradezu mustergültig genannt zu werden verdient. Gerade ich konnte dies am besten beurteilen."
(1)


Voigt ist nun berühmt und hat viele Fans. 

Eine Frankfurter Zeitung hat für ihn gesammelt und er bekommt nach seiner Haftentlassung 2000.- Mark und eine Dame aus den "allerersten Kreisen" Berlins soll ihn eine Rente von monatlich 100.- Mark zugesichert haben. Behauptet Voigt. Es könnte sich hier um Gertrud Wertheim gehandelt haben, der Frau von Wolf Wertheim, eines Unternehmers und Bruder des Warenhausbesitzer Georg Wertheim. 

Das Gerücht über seinen "Reichtum" macht die Runde und Voigt bekommt Bettelbriefe. Aber auch sonst bekommt er viel Fanpost. 

Nach zwei Jahren Haft wird er begnadigt und auf Befehl des Kaisers sofort entlassen. Völlig überraschend, an einen Sonntag und ohne dass die Öffentlichkeit davon weiß., darf Voigt gehen. Und weil ja Sonntag ist, der Kassenbeamte und andere Beamte nicht im Dienst sind, leiht ihm der stellvertretende Sekretär eine Mark.


"Mit einem gewissen Wohlbehagen durchschritt ich die Straßen des Vorortes und freute mich an den wandernden, fröhlichen Menschen.

Ich wusste, mit welcher Teilnahme mein Ergehen in Tegel und meine Freilassung in der Welt verfolgt wurde.

War es mir doch zu Ohren gekommen, dass viele meiner Freunde sich verabredet hatten, am Tage meiner Freilassung vor den Toren des Hauses auf mich zu warten und mich abzuholen.

Hatten sich doch schon einmal früher, als das Gerücht verbreitet wurde, ich würde freigelassen, Hunderte von Menschen eingefunden, die mich sehen wollten.

Und heute?
Keiner von diesen Menschen dachte daran, dass ich unter ihnen wandelte, und so konnte ich unbelästigt das heitere Leben, das an schönen Sonntagen die Vororte von Berlin durchflutete, genießen.
Diese erste Stunde der Freiheit, die direkt der Gnade entflossen, unerwartet und doch so erwünscht kam, kann ich mit Worten nicht schildern! So etwas muss man erlebt haben!
" (1)


Voigt geht erst einmal zu seiner Schwester, die ist aber nicht zu Hause. Also besucht er zunächst seine ehemalige Verlobte und weitere Bekannte. 

Sein nächster Weg führt ihn dann auch schon zur Redaktion der Zeitung "Die Welt am Montag. 

Voigts weitere Karriere wird hier schon deutlich. Er wird "Influencer", nur halt mit den Mitteln von 1908.


"Aber schon war Frau Fama geschäftig gewesen. Alle Welt wusste von meiner Befreiung. Und bald hatten sich denn auch die Pioniere der modernen Zivilisation, die Amateurphotographen und Photographen vom Fach eingestellt; und während ich den Fuß auf den Tritt der Droschke stellte, waren bereits eine Anzahl von Objektiven auf mich gerichtet, um diesen denkwürdigen Moment zu verewigen.

Schon am frühen Morgen hatte die Post eine große Anzahl Briefe für mich gebracht, und ich wollte die Muße der Fahrt dazu benutzen, um sie auf dem Wege zur Stadt zu lesen.

Als ich aber einen Augenblick hinter mich schaute, sah ich, wie die Photographengesellschaft im Auto hinter mir herfuhr, an jedem Haltepunkt umstellten sie meine Droschke so, dass mein Kutscher nicht losfahren konnte, die Zwischenzeit benutzten sie, um mich in allen möglichen Stellungen aufzunehmen. Ich habe ziemlich drei Stunden gebraucht, bis es mir endlich gelang, ihren Glasaugen zu entkommen."



Friedrich Wilhelm Voigt, 1910.


Voigt veröffentlicht die von mir hier häufig zitierte Autobiografie. Er hält Vorträge, verkauft Postkarten mit seinem Bild und bringt es tatsächlich zu einigen Wohlstand. 
Damit kommt er aber nicht überall gut an. 
Paul Lindau zum Beispiel:

"Leider ist die Freude, die wir alle über die glückliche Wendung im Leben des köstlichen Hauptmanns empfunden haben, nicht ungetrübt geblieben. Wilhelm Voigt, so standhaft und aufrecht im Unglück, in der Ächtung – im Glück ist er getaumelt, die Höhenluft der Anerkennung hat er nicht vertragen können. Schon in den letzten Monaten seiner Gefangenschaft hat er eine Albernheit begangen, die einen fatalen Reklameduft ausströmte. Um die Sympathien für den wieder Verurteilten zu stärken und zu mehren, hatte eines unserer angesehensten Blätter die von Voigt in der Untersuchungshaft verfasste Selbstbiographie veröffentlicht, die der Angeklagte wohl zur Verlesung in der öffentlichen Sitzung bestimmt und der Verteidigung zur Verfügung gestellt hatte. Davon konnte indessen Abstand genommen werden. Die Haltung des Gerichtshofs stellte außer aller Frage, daß Voigt es diesmal mit weisen und gerechten Richtern zu tun hatte. Aber gerade, weil auch diese ihn verurteilen mussten, konnte eine nachträgliche Veröffentlichung des rührenden Elaborats, das die öffentliche Meinung nur noch mehr für den Verurteilten einzunehmen geeignet, von Nutzen sein.

Was tat nun Voigt? Anstatt sich für diesen Beweis freundlichster und wohlwollendster Gesinnung erkenntlich zu zeigen, machte er sich durch die kindische Drohung lächerlich, dass er, sobald er auf freiem Fuße wäre, die Redaktion wegen unbefugten Nachdrucks belangen werde!

Nach wiedererlangter Freiheit aber trieb ihn der in ihm aufgekeimte und nun üppig wuchernde Größenwahn zu einer Geschmacklosigkeit nach der andern. Er wollte sich – so in einer Art von Barnumschem -, oder Hagenbeckscher Raubtierschau – von Leuten, die »um das Rhinozeros zu sehen« keine Ausgaben scheuen, für Geld und gute Worte in Tingeltangels besehen lassen. Hat's vielleicht auch getan. Aber das unwürdige Handwerk ist ihm, wenn ich mich recht erinnere, wohl gelegt worden; oder es hat ihn aufgegeben. Ich weiß nicht genau. Er hat, glaube ich, mit seinen Postkarten gehandelt, gelegentlich durch seinen »Sekretär« die Zeitungen mit Berichtigungen gelangweilt und andere Torheiten der Art begangen. Der Mann hat mich in dieser Phase seiner Entwicklung nicht mehr interessiert. Wäre er doch der herrliche Hauptmann von Köpenick geblieben! 
Nun, solange es Menschen gibt, die für urkräftige Komik Sinn haben, wird er es bleiben. Das unsinnige Nachspiel wird man vergessen und nur eine unbestimmte Erinnerung daran bewahren, dass die zunächst erschütternde menschliche Tragödie nach ihrem komischen Höhepunkt einen zwar matten, aber doch versöhnlichen Schluss gehabt hat." (2)

Da war der Herr Journalist wohl ein wenig verärgert. Dabei hat seine Zeitung doch bloß Voigts Urheberrecht verletzt. Und dann will Voigt auch noch Geld mit seiner Geschichte verdienen? Unerhört!

Das macht er aber auf jeden Fall. Für eine Grammophonaufnahme bekam er 200.- Mark und im Berliner Wachsfigurenkabinett wurde seine Figur ausgestellt. Zumindest auf seinen Postkarten und Fotos trägt er auch wieder Uniform.


Wilhelm Voigt in Uniform. 

Die Originale kann es ja nicht sein, denn die wurde, wie wir uns erinnern ja eingezogen. Die Bilder kann man deshalb auch nicht zur Beurteilung heranziehen, wie glaubhaft Voigt als Hauptmann wirkte. 
Nicht nur dem Herrn Lindau, sondern auch der preußischen Obrigkeit gefällt sein Auftreten nicht unbedingt. Voigt steht ja weiterhin unter Polizeiaufsicht und dass eine oder andere Mal soll er auch verhaftet worden sein. 
Voigt trat deshalb zunehmend im Ausland auf und zog schließlich 1910 nach Luxemburg. 
Voigt war wohlhabend geworden und kaufte ein Automobil und ein Haus. 
Dann brach der 1. Weltkrieg aus und Voigt verarmte wieder. Er starb am 3. Januar 1922 im Alter von 72 Jahren an einer Lungenerkrankung. 

Noch einmal soll er da den Hauptmann gegeben haben. Der Trauerzug soll einen Trupp Soldaten begegnet sein. Der Offizier fragte, wer da beerdigt würde. Ihm wurde auf französisch geantwortet :"Le Capitaine de Coepenick!"
In der Annahme, dass es sich um einen echten Hauptmann handelt, wies der Offizier seinen Trupp an, den Zug mit einer militärischen Ehrenbezeugung passieren zu lassen. 

Und in Köpenick? Da gibt es im Rathaus eine Dauersaustellung zum Hauptmann. 

Ende


(1) Voigt, Wilhelm. Wie Ich Hauptmann von Köpenick wurde. Julius Püttmann, 1909

(2) Paul Lindau, Ausflüge ins Kriminalistische, Albert Langen, 1909

Mittwoch, 18. Juni 2025

Der Hauptmann von Köpenick (10)

Ursprünglich ging es hier ja um den Film von 1931. Also mal zurück zum Thema, bevor ich auf Voigts weiteres Leben eingehe. 

Wie bereits erwähnt habe ich den Film gesehen, bevor ich hier angefangen habe zu schreiben Dann noch einmal. Dann den Film mit Heinz Rühmann. Dann den mit Rudolf Platte und schließlich den mit Harald Juhnke. 

Zwei Hörspiele zum Thema, wobei eines nur Ausschnitte aus dem Film mit Rudolf Platte enthielt, habe ich mir angehört und Zuckmayers Stück als Taxt habe ich kurz überflogen. 

Und jetzt zähle ich mal auf, welche Szenen mir im Film gefehlt haben:

1.

Vor dem Einbruch in die Polizeistation übernachten Voigt und Kalle in einer Obdachlosenunterkunft, da beide kein Geld haben. Die Essensmarken leihen sie sich. Einer der Obdachlosen, Louis Gebweiler,  möchte, dass das Licht ausgemacht wird. Weil sich aber einige Insassen nicht daran halten und Skat spielen, kommt eine Patrouille zur Kontrolle. Gebweiler wird als Deserteur erkannt und verhaftet. 

Die Szene fehlt auch im Film mit Heinz Rühmann, ist aber im Film mit Rudolf Platte vorhanden. 

2.

Das Ehepaar Hoprecht, also Voigt Schwester und sein Schwager, haben ein schwerkrankes Mädchen namens Lieschen aufgenommen. Wilhelm Voigt verbringt Zeit mit ihr, liest ihr Märchen vor und erzählt ihr Geschichten aus seinen Leben.  Lieschen stirbt schließlich. 

Die Szenen sind im Film mit Heinz Rühmann enthalten. 

3.

Beim Kaisermanöverball trägt Wormsers Tochter Auguste die Uniform, trinkt Sekt und singt ein selbst komponiertes Lied. Sie flirtet mit Rittmeister von Schleinitz. 

Wormsers Sohn kippt Flaschen und Gläser um. Die Uniform wird dabei verschmutzt und soll nun zum Trödler. 

Auch diese Szene ist im Film mit Heinz Rühmann enthalten. 

4.

Mit der Hauptmannsuniform im Gepäck geht Wilhelm Voigt in den Park von Sanssouci und setzt sich auf eine Bank. 
Er beobachtet Offiziere, die sich über das Militärwesens austauschen, sowie Kindermädchen, die sich offensichtlich für die Offiziere interessieren. 
Mit einem Invaliden kommt er ins Gespräch. Als sich zwei Damen nähern, steht Voigt in militärischem Stil auf und macht ihnen Platz.

5.
Im Rühmann-Film wird die Geschichte noch ein wenig fortgesetzt bis zur Haftentlassung. 


Auch wenn ich einige Szenen, die in späteren Filmen zum Teil vorkommen, vermisst habe, hat mir der Film trotzdem gefallen. 
Und Max Adalbert als Hauptdarsteller war einfach großartig. 


Ende Teil 10